Vettelschoßer Gemeindepolitik – eine Stellungnahme der SPD-Fraktion

image_pdfimage_print

Die Vettelschoßer Gemeindepolitik wird zur Zeit heftig diskutiert. Auch wir – die SPD-Fraktion im Gemeinderat – sind mit einigen Zielsetzungen der aktuellen Gemeindepolitik nicht einverstanden.
Während in den letzten Jahren die Sanierung aller gemeindlichen Gebäude, die Instandhaltung von Straßen und Plätze, die Entwicklung in der Kindergarten- und Schulpolitik unsere Zustimmung und aktive Mitarbeit fanden, werden nun Projekte in Angriff genommen, die unseren Ort auf eine Art verändern werden, wie wir es uns nicht vorstellen können und wollen.

Richtig ist, dass wir uns fit für die Zukunft machen müssen, dass unser Angebot für junge Familien und auch für Senioren attraktiv sein muss, damit unsere Grundstücke und Immobilien nicht zu sehr an Wert verlieren, damit unsere Dorfgemeinschaft, unser Vereinsleben auch weiterhin funktionieren kann trotz der Folgen des demografischen Wandels.

Richtig ist, dass wir in Arbeitsplätze investieren müssen. Deshalb stehen wir auch nach wie vor hinter dem oftmals belächelten Projekt „Gewerbegebiet Farmersheck“. Denn nur die Gemeinde, die kurzfristig günstige Gewerbeflächen anbieten kann, kann wirtschaftlich gut situierte Betriebe mit einem breit gefächerten Angebot an Arbeitsplätzen für sich gewinnen. Die Gemeinde veräußert zur Zeit die letzten Gewerbeflächen am Willscheider Berg. Es war an der Zeit und richtig, frühzeitig zu handeln. Nichts ist notwendiger als ortnahe Arbeitsplätze.

Richtig war der Gedanke, Gegenstände, Bilder, das Wissen um unsere Vergangenheit zu bewahren, bevor eine Generation ausstirbt. Deshalb haben wir zugestimmt, eines der ältesten Häuser unserer Gemeinde zu erhalten und als Dorfmuseum zu nutzen. Bei dieser Entscheidung wussten wir jedoch nicht, welch Summen dieses Haus bei seiner Erhaltung verschlingen würde. Als wir die verdeckten Mängel feststellten, war es für ein Zurück zu spät. Hätten wir das vorher gewusst, wäre unsere Entscheidung anders ausgefallen. Glücklicherweise war die Gemeinde dank einiger guter Steuerjahre in der Lage, das Vorhaben zu finanzieren.

Richtig war es, in Naherholung zu investieren, Wanderwege instand zu halten und auszuschildern, eine Vernetzung in der Verbandsgemeinde anzustreben, den Bahnhof in Kalenborn aufzuwerten. Richtig war es, die Gemeindehäuser aufzuwerten und besser auszustatten, die Grillhütte zu errichten, wie deren Auslastung zeigt.

Richtig war die Verkehrsberuhigung des Willscheider Weges, auch wenn wir über die Ausführung anderer Meinung sind. Ein handwerklich guter, gestalteter Platzbereich entlang Sporthalle, Kindergarten und Schule wäre auch für deutlich weniger als 1,5 Mio. Euro herzurichten gewesen, es musste nicht wieder der teuerste Pflasterstein genommen werden. Außerdem sollte der gesamte Platz vor der Sporthalle ordentlich beparkt werden dürfen.

Richtig war die Ansiedlung eines Einkaufsmarktes im Gewerbegebiet Willscheider Berg (in den Ortskern wollte und will keine große Kette), wobei – sorry liebe St. Kathariner – wir nicht wussten, dass der Penny-Markt umziehen würde, als wir das Grundstück verkauften und den Bauantrag genehmigten. Aber eins muss man feststellen, das Sortiment ist größer und der Laden attraktiver und zumindest die Notscheider haben es näher dank des Fuß-/Radweges. Als Ergänzung würden wir uns wünschen, es käme ein Drogeriemarkt hinzu.

Froh sind wir, dass sich vielleicht doch eine Möglichkeit auftut, eine Bürgerstiftung zu gründen, in die – neben einem Anfangskapital – die Erlöse der Photovoltaikanlagen fließen sollen. Die Zinsen aus dieser Stiftung sollen – so der seinerzeitige SPD-Antrag – dazu genutzt werden, freiwillige Leistungen im sozialen Bereich (Kultur, Kinder, Senioren, Vereine) auch dann zu ermöglichen, wenn die Gemeindefinanzen mal nicht so üppig sein sollten.

Was uns jedoch Sorge bereitet, ist das Projekt, das man mit den Worten „Bürgerhaus, Tourismus, Hotel, Blauer See“ umfassen kann.

Wir – die SPD-Fraktion – möchten in absehbarer Zeit kein Bürgerhaus errichten. Die Gründe hierzu haben wir wiederholt geäußert und können im Internet unter www.spd-vettelschoss.de (u.a. im Bericht der 38. Gemeinderatssitzung) ausführlich nachgelesen werden.

Zum Thema Tourismuskonzept: Wir möchten das Gelände Blauer See aufwerten und für unsere Bevölkerung erhalten. Dabei liegt unser Schwerpunkt in einer Sanierung des Platzes und der Anlagen (Sanitäreinrichtungen, Liegewiese, Kinderbereich) sowie einer möglichen Erweiterung Richtung Lewrot. Dabei wäre uns daran gelegen, eine Mischung zwischen Dauerbewohnern und Kurzaufenthalten zu erzielen. Ideal wäre ein Investor, der weitere Nebengebäude (Sauna/Wellnessbereich, Spielmöglichkeiten für Kinder, ja sogar ein auch von uns zu nutzendes großes Festgebäude mit Restauration) errichten könnte in der Art eines Ferienparks, wie wir sie in der Eifel, im Taunus, im Hunsrück oder an der Mosel finden. Ein solcher Park würde der Geschäftswelt, den Restaurants in Vettelschoß Zulauf bringen und vielleicht dem ein oder anderen die Möglichkeit eines zusätzlichen Verdienstes während der Tourismussaison eröffnen (Minijobs im Park, Ponyreiten, Fahrradverleih, geführte Wanderungen). Dabei müsste vertraglich sichergestellt werden, dass unsere Bevölkerung den See weiterhin gegen geringes Eintrittsgeld nutzen kann.

Nun sagt das Tourismuskonzept, dass es einer solchen Anlage, auch einem Campingplatz alleine keine Chance gebe, vielmehr die Zukunft in einem Hotel liegen könne. Dieses Hotel soll in erster Linie den umliegenden Firmen Übernachtungsmöglichkeiten und Räume für Tagungen und Seminare bieten. Hierzu wurde jetzt eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Es wird davon gesprochen, dass man die Firmen und Gäste anlocken müsse. Es ist die Rede von „Erlebnisgastronomie, von besonderen Attraktionen wie Hochseilgarten, Erlebnisminigolf usw.“
Wollen wir das? Ist ein solches Vorhaben in unserer kleinen Gemeinde umsetzbar oder Utopie?

Sicherlich waren und sind auch wir von der SPD-Fraktion der Meinung, dass man den Wirtschaftszweig Tourismus als wichtige Einnahmequelle und ggf. auch Arbeitsplatzbeschaffer nicht aus den Augen lassen darf. Durch den Rhein- und Westerwaldsteig, durch die Bahn nach Kalenborn werden mehr Gäste und vor allem Wanderfreunde in unsere Region kommen. Das sollten wir uns zu Nutze machen und wir von der SPD-Fraktion haben deshalb schon vor Jahren vorgeschlagen, unsere Attraktivitäten (Blauer See, Aussichtsturm und Naturschutzprojekt Willscheider Berg, den Bahnhof Kalenborn, demnächst unser Heimatmuseum mit Weinstube, den Bogenschießplatz, den Golfplatz unsere schönen Wanderwege…) zu verknüpfen. Wir hatten seinerzeit den Vorschlag unterbreitet, einen Barfuß- und Sinnesweg (riechen, hören, fühlen, tasten), ggf. zusätzlich mit Elementen wie einem Kneipbecken und/oder einem Trimm-dich-Parkcour von Kalenborn (ab Bahnhof) durch den Wald bis nach Vettelschoß (Willscheider Berg und Blauen See) anzulegen, um so die in Kalenborn bzw. am Asberg ankommenden Touristen durch und in unseren Ort zu lenken. Diesen Vorschlag greift auch das Tourismuskonzept auf.

Mit dem Beschluss zum Bau des Bürgerhauses und der Vergabe der Vorplanung an einen Architekten (immerhin kostet diese Vorplanung allein schon rund 30.000,00 Euro) wird nun ein mögliches Element aus dem Tourismuskonzept vorweg genommen und es werden – gegen die Stimmen der SPD – unumkehrbare Fakten geschaffen. Das macht uns Sorgen. Denn zu viele Fragen sind offen:

* Wer soll die zukünftigen Unterhaltungskosten des großen Bürgerhauses auf Dauer tragen? Schon ohne das Bürgerhaus haben wir Bewirtschaftungs- und Unterhaltungskosten für unsere öffentlichen Gebäude in Höhe von ca. 350.000,00 Euro jährlich.

* Wer trägt die zusätzlichen Personalkosten auf Dauer (ein zusätzliches Bürgerhaus kann das jetzige Bauhofpersonal nicht auch noch bewältigen)?

* Wer wird ein erweitertes Kulturprogramm im Bürgerhaus buchen, wer veranstalten, wer bewirten? Wer tritt bei Verlusten ein?

* Wie will man sich gegen die Konkurrenz in den umliegenden Orten durchsetzen? Wird es eine Absprache geben, oder finden Parallelveranstaltungen statt?

* Machen weitere große kulturelle Veranstaltungen nicht den eh schon weniger besuchten Traditionsveranstaltungen (Kirmes und Karneval) zusätzlich Konkurrenz? Man kann jeden Euro nur einmal ausgeben.

* Was passiert, wenn kein Investor für das Hotel gefunden wird, wer vermarktet dann die Seminar- und Tagungsräume? Woher kommt die Bewirtung, wer kümmert sich um Technik usw., wer reinigt das Haus? Firmen mieten ein Gesamtpaket und wollen sich nicht selber um alles kümmern.

* Wer hat Vorrang bei einer Nutzung – die örtlichen Vereine oder der Betreiber des möglichen Hotels, wenn er Seminare und Tagungen vergibt?

* Wenn ein Hotel kommt und Seminare und Tagungen im Bürgerhaus stattfinden, was ist dann mit Privatfeiern?

* Kann man – falls ein Hotelbetreiber das Bürgerhaus mit bewirtschaftet, bei Privatfeiern andere Cateringfirmen beauftragen, die Getränke bestellen, wo man will? Wie laut darf die Musik sein, wenn nebenan ein Hotel steht?

* Wie viel Technik braucht ein Bürgerhaus (voll ausgerüstet für Seminare mit Projektor, Leinwand, Medien? voll ausgerüstet für große Tagungen mit Beleuchtung und Lautsprecheranlage, Mischpult? wie ausgerüstet für Großveranstaltungen (Beschallung, Licht- und Tontechnik?)? Wie viel Technik brauchen die Vereine?

* Gibt in der Hauptsache Seminare und Tagungen, dann muss das Gebäude freundlich und hell sein?

* Gibt es in der Hauptsache Abendveranstaltungen, sollte man dann nicht den Saal lieber mit weniger Fenstern, die bei Bedarf verdunkelt werden müssten, ausstatten?

* Kann der Ausklang des Karnevalszuges (in Stoßzeiten 1500 – 2000 Personen) im Bürgerhaus Platz finden?

* Wollen wir, dass Feiern der Jugendlichen im Bürgerhaus stattfinden (Abi-Finanzierungsfeten z.B.)? Wie steht das im Verhältnis zu einem möglichen Hotel mit Übernachtungsgästen?

* Wohin kommen die geplanten Musik- und Jugendräume, da aufgrund der Nutzung als Seminarräume das Bürgerhaus nicht mehr in Frage kommen soll?

* Soll das Bürgerhaus mit oder ohne Restauration gebaut werden? (Noch ist ungewiss, ob ein Hotel kommt, noch ist ungewiss, was passiert am Blauen See, wer bewirtet also die Seminare und Tagungen, wer die Badegäste vom Blauen See?)

* Wohin gehen die Badebesucher, wenn es keine Bewirtung am See mehr gibt? In einem möglichen Hotel sind Kinder mit Badeschlappen nicht erwünscht. Wird hier �nur� ein Imbisswagen zur Verfügung stehen?

* Wie geht es überhaupt weiter am Campingplatz – bleibt er bestehen – bleiben die Dauercamper – wird er weiter verpachtet – übernimmt möglicherweise der Hotelier die Anlage?

* Kann sich die Gemeinde auf Dauer neben Grillhütte und Bürgerhaus wirklich auf Dauer noch zwei Vereinshäuser (Bürgerhaus Kalenborn, Vereinshaus Willscheider Berg) leisten?

* Warum wurde die Mehrzweckhalle mit einer neuen Toilettenanlage und Lagerräumen, ausgestattet, wird die Halle überhaupt weiterhin als Mehrzweckhalle genutzt?

* Was wenn sich das Bürgerhaus tatsächlich als Klotz am Bein der Gemeinde erweisen sollte (s. z.B. die Verschuldung Bad Hönningens durch das Hallenbad), ein solches Gebäude kann man weder einfach schließen noch leicht verkaufen, das haben alle nachfolgenden Generationen zu schultern.

Die CDU-Ratsmehrheit scheint diese Fragen für sich schon alle beantwortet zu haben, denn nur so ist zu erklären, warum sie einen Bürgerhausneubau derart forciert.

Es könnte sich einiges ändern in naher Zukunft. Die Kommunalpolitik soll neu geregelt, die Finanzströme sollen anders verteilt werden (es soll nicht länger wenige reiche Gemeinde geben, während arme ihre nötigsten Gebäude nicht unterhalten können), der Strukturwandel wird auch vor Vettelschoß nicht halt machen, auch unsere Bevölkerung wird immer älter und möglicherweise weniger werden. Hier sei angemerkt, dass wir zukünftig höchst sehr wahrscheinlich mehr Umlagen werden zahlen müssen und uns damit jährlich die Finanzkraft fehlen wird, die laufenden Kosten zu tragen. Der einmalige Bau eines Bürgerhauses ist also nicht das, was uns finanziell in Not bringen kann, sondern die jährliche Unterhaltung. Außerdem muss an dieser Stelle damit aufgeräumt werden, dass andere Gemeinden auch in unsere Rücklage greifen könnten. Dem ist nicht so. Ein gutes Polster in unserer Rücklage täte uns also gut.

Die SPD fordert seit Jahren, die Zusammenarbeit hier auf der Höhe voranzubringen. Anstatt dass jede Gemeinde alles bei sich haben will, sollte man Schwerpunkte setzen. Wir haben bereits vor Jahren angeregt, die Kräfte zu bündeln, statt zu konkurrieren (Schwerpunkte könnten sein: Kultur, Sport, Ganztagsschule…).

Was passiert vielmehr statt dessen:

* St. Katharinen hat ein Bürgerhaus und baut nun eine große Sport-Mehrzweckhalle.

* Windhagen hat das Forum und eine Sporthalle und baut nun eine Dreifach-Sporthalle.

* Vettelschoß hat die Sport-Mehrzweckhalle, eine Gymnastikhalle und baut nun ein Bürgerzentrum.

D.h. alle drei Gemeinden werden in Zukunft statt zusammenzuarbeiten in Konkurrenz stehen. Hier werden keine Kräfte gebündelt, hier wird es nur noch knallharten Wettbewerb geben, um die Gebäude auszulasten.
Wir sind hier oben ca. 10.000 Einwohner und werden jetzt innerhalb eines Radius von 10 km in drei großen Sporthallen Sportkurse anbieten. Wozu wird es führen: zu einem Engpass an Übungsleitern, zu Kursen, die nicht voll belegt werden können und deshalb ausfallen, zu Kulturveranstaltungen vor leeren Rängen in zu großen Bürgerhäusern.

Wir können nur noch einmal an die Ratsmehrheit appellieren, bitte kein Bürgerhaus vor der nächsten Kommunalwahlen.