Gewerbesteuer

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Die SPD-Fraktion beantragt zur Aufnahme in die Tagesordnung der nächsten Gemeinderatssitzung das Thema  „Gewerbesteuerzerlegung“.

Der TOP soll der Information der Mitglieder des Gemeinderates dienen.

In den zurückliegenden Sitzungen des Gemeinderates und der Ausschüsse ist es vor dem Hintergrund einer potenziellen Ansiedlung von Gewerbebetrieben in Vettelschoß, die auch Betriebsstätten in anderen Gemeinden unterhalten, wiederholt zu Diskussion über eine Aufteilung der Gewerbesteuer gekommen.

Dabei wurde deutlich, dass im Gemeinderat keine bzw. lediglich bruchstückhafte Kenntnisse über diese Thematik vorhanden sind. Eine zielführende Diskussion und eine fundierte Entscheidungsfindung ist so nicht möglich. Vielmehr besteht die Gefahr, dass durch mangelnde Kenntnisse zum Nachteil für die Gemeinde entschieden wird.

Die SPD-Fraktion sieht daher die Notwendigkeit, den Kenntnisstand im Gemeinderat zu verbessern und zu harmonisieren. Dazu wird beantragt, den TOP durch Hinzuziehung einer Fachperson zum Thema Gewerbesteuer, die dem Rat die Grundzüge sowie die möglichen Ausprägungen der Gesetzgebung vermittelt, zu erfüllen.

Der SPD-Antrag zur Gewerbesteuer wurde von Markus Eulenbach (SPD) dahin gehend erläutert, dass bei der angespannten Haushaltslage der Ortsgemeinde nicht allein der Blick auf die Ausgabenreduzierung zu legen sei, vielmehr auch die Einnahmen, und hier insbesondere die Gewerbesteuer, im Fokus stünden. Da immer wieder Entscheidungen des Rates dieses Thema berührten, wünsche die SPD-Fraktion, den Rat durch einen Sachkundigen über das Thema Gewerbesteuer, vor allem der Gewerbesteuerzerlegung, ausführlich zu informieren.

Der Gemeinderat und die Öffentlichkeit wurde durch Frau Sokul (Steuerberaterin des Unternehmens Stümper, Nolden und Kohlhaas mit Sitz in Leubsdorf, Andernach und Neuss) ausführlich zum Thema Gewerbesteuer, Gewerbesteuerzerlegung informiert. Diese Information hatte die SPD-Fraktion in einem Antrag gefordert, nachdem innerhalb des Gemeinderates wiederholt widersprüchliche Aussagen zur Gewerbesteuerveranlagung getroffen worden waren.

Gewerbesteuer, so Frau Sokul, dienten dazu, Kommunen zu entschädigen, dafür dass sie Gewerbetreibenden Infrastruktur zur Verfügung stelle. Frau Sokul erläuterte anschaulich,

  • wann und bei wem Gewerbesteuer anfalle,
  • wie die Gewerbesteuerhöhe errechnet werde, dass der Gewerbesteuerertrag vom zuständigen Finanzamt ermittelt, mit der Messzahl (3,5 %) und schließlich mit dem Hebesatz der betroffenen Kommune multipliziert werde,
  • dass die Gewerbesteuer sich ausschließlich aus dem jährlichen Ertrag errechne nicht nach dem vorhandenen Kapital,
  • dass es eine Reihe legaler Möglichkeiten gäbe, die Gewerbesteuerschuld zu beeinflussen, zu minimieren,
  • dass Freiberufler nicht veranlagt würden….

Der Hebesatz müsse mindestens 200 % betragen, er sei sehr unterschiedlich in den Kommunen, Vettelschoß habe zurzeit einen Gewerbesteuerhebesatz von 352 %, München 460 %. Die Höhe der Gewerbesteuerhebesätze sei für Firmen ein Grund zur Standortwahl. Gewerbesteuererhöhungen führten bis zu einem bestimmten Punkt zu Mehreinnahmen für die Kommunen, ab einer bestimmten Höhe seien sie jedoch kontraproduktiv, weil lukrative Firmen abwanderten oder ihre Steuerschuld minimierten. Frau Sokul erläuterte an einem Beispiel, wie Firmen legale Möglichkeiten nutzten, ihre Steuerschuld zu beeinflussen. So müsse bei Montagetrupps eine sechsmonatige Verweildauer überschritten werden, bevor es zur Zerlegung der Steuerschuld auf mehrere Kommunen komme, daher würde ein Montagetrupp in einer Kommune, die geringere Hebesätze aufweise, gerne länger als sechs Monate verweilen. Bei Ansiedlungswünschen sei es zweckmäßig, sich die Gewerbesteuerbescheide der Gewerbetreibenden anzusehen, nicht die Bilanzen. Firmen könnten in ihrem Mutterbetrieb gute Bilanzen vorweisen, durch kluge Firmenpolitik jedoch ihren Gewerbesteuerertrag erheblich reduzieren, mitunter falle sogar – trotz guter Bilanzen – keine Gewerbesteuer an, alles vollkommen legal.

Zur Gewerbesteuerzerlegung teilte sie mit, dass ein Gewerbetreibender, der in mehreren Kommunen (oder auch auf der Grenze zweier Kommunen) angesiedelt sei oder im Laufe eines Kalenderjahres den Standort wechsele, seine Gewerbesteuerschuld zerlegen müsse, d.h. auf die Standorte aufteilen müsse. In der Regel werde die Lohnsumme, die in der jeweiligen Kommune anfalle als Grundlage der Verteilung herangezogen. Der ermittelte Gewerbeertrag x 3,5 % (Messzahl) wird demnach prozentual der in der Kommune erzielten Lohnsumme mit dem Hebesatz der jeweiligen Kommune multipliziert. Man könne auch andere Kriterien mit dem Gewerbetreibenden (und mit den weiteren beteiligten Kommunen) vereinbar. Der Gewerbetreibende und die beteiligten Kommunen müssten jedoch zustimmen (und wer gibt schon freiwillig mehr ab)? Lehnt einer der Beteiligten ab, bleibt es bei der Zerlegung auf Grundlage der Lohnsumme. Man kann auch gerichtlich gegen eine Zerlegung vorgehen, jedoch machte Frau Sokul hier wenig Hoffnung, die Erfolgsaussichten einer solchen rechtlichen Auseinandersetzung seien gering. Eine Firma, die sehr viel Lkw-Verkehr durch ein Unternehmen im Ort zu verzeichnen hatte jedoch nur eine geringe Lohnsumme konnte sich mit ihrem Ansinnen, dass sie unverhältnismäßig mehr Lasten tragen müsse als die Kommune der Hauptverwaltung, die Zerlegung nach Lohnsummen demnach unbillig sei, nicht durchsetzen. Frau Sokul rät den Kommunen, Zerlegungsbescheide rechtzeitig einzusehen, da nach Feststellung der Steuerschuld durch das Finanzamt eine Frist für Einsprüche laufe (18 Monate).