Auszug Gemeinderatssitzung 9.11.16 zum Thema „Fusion“

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Ortsbürgermeister Freidel bat die SPD-Fraktion, ihren Antrag zur Kommunalreform (Stichwort Fusion) zu erläutern.

Jochen Mutz trug vor, dass die SPD-Fraktion diesen Antrag (am 7.  Sept. 2016) gestellt habe, weil das Thema seit Juli 2016 verstärkt in den Medien auftauchte, die betroffene Kommune Vettelschoß jedoch mit keiner Silbe informiert, geschweige denn an Entscheidungsfindungen beteiligt wurde. Die SPD fordere eine unmittelbare und aktive Beteiligung der Ortsgemeinde Vettelschoß.

Jochen Mutz stellte klar, dass die Aussage von Ortsbürgermeister Freidel in einer Presseveröffentlichung der Rhein-Zeitung  vom 5. Okt. in Zusammenhang mit dem geplatzten Gespräch in Mainz: „…Von der SPD liegt bereits ein entsprechender Antrag vor, der unter anderem solche Gespräche mit der Verbandsgemeinde Asbach ins Auge fasse“,  in dem Kontext dieses Artikels nicht dem Ansinnen der SPD entspreche. Die SPD führe, veranlasst durch die Nichtbeteiligung durch die VG Linz an den bis dato getroffenen Entscheidungen und Gesprächen zur möglichen Verwaltungseinheit VG Linz, Bad Hönningen, Unkel, aus: eine „Angliederung an  die VG Asbach sei in diesem Zusammenhang eine denkbare Variante“.  Anmerkung der Redaktion: Dieser eine Satz scheint bewirkt zu haben, dass die Rheingemeinden (vor allem die der VG Linz) erkannt haben, dass die Höhengemeinden nicht länger nur als größte Umlagezahler wahrgenommen werden möchten.

Der SPD-Antrag im Wortlaut:

„Die SPD – Fraktion beantragt eine Aussprache zum Thema Kommunalreform in der nächsten Sitzung des Gemeinderats (GR).
Die Kommunalreform befindet sich – folgt man Pressemeldungen – in einer entscheidenden Phase. Die angestrebte Reform wird das Zusammenleben der Bürger in den betroffenen Gemeinden unmittelbar beeinflussen.
Dem GR liegen keine Kenntnissen über die Zeitlinien, den Stand der Gespräche mit den möglichen Kooperationspartnern sowie die Vor- und Nachteile möglicher Kooperationsmodelle vor. Die Auswirkung einer Kooperation auf die Höhengemeinden ist ebenso ein wesentlicher Aspekt für die zukünftige Gestaltung der Ortspolitik wie auch ein möglicher neuer Zuschnitt der – dann neuen – Verwaltungseinheit. Eine Angliederung an die VG Asbach ist in diesem Zusammenhang eine denkbare Variante.
Die OG Vettelschoß ist Träger der Grundschule und der zwei Kindergärten. Eine Neugestaltung der Schul- und Kindergartenlandschaft im Rahmen der Kreisreform kann deshalb nur unter direkter Mitwirkung der OG und der Personalräte der betroffenen Einrichtungen erfolgen.
Darüber hinaus muss von Beginn an vermieden werden, dass durch einen Zusammenschluss der Gemeinden an der Rheinschiene gegenüber den Höhengemeinden eine wirtschaftliche und politische Schieflage entsteht.
Aus Sicht der SPD ist es daher unumgänglich, dass Vertreter der Ortsgemeinden unmittelbar und aktiv an der Gestaltung des Fusionsvertrages beteiligt werden.
Der Zusammenschluss mehrerer Gemeinde darf kein Verwaltungsakt werden. Vielmehr muss ein breiter Konsens in den Gemeinderäten hergestellt werden.“

Jochen Mutz sprach an, dass das Dornbach-Gutachten, auf das sich die von Herrn Fischer öffentlich benannten Zahlen beziehen, verschiedene Modell an Umlagezahlungen aufzeige; die von Herrn Fischer bislang benannten Zahlen die kostenträchtigste Variante darstelle.

Er machte weiter deutlich, dass das Gesetz zur Kommunal- und Verwaltungsreform höchst richterlich überprüft und für rechtmäßig beschieden wurde. Weiter machte er darauf aufmerksam, dass eine Fusionspflicht nicht allein von den Einwohnerzahlen abhängig sei, sondern auch von der Beurteilung der Wirtschaftskraft, ein paar Einwohner mehr oder weniger als die bislang eingebriefte Grenze von 12.000 Einwohnern seien nicht ausschlaggebend. Im Gesetz sei zudem verankert, dass auch Verbandsgemeinden, die aufgrund ihrer Einwohnerzahl nicht fusionieren müssten, als Partner einer Verbandsgemeinde mit Fusionsbedarf zwangsfusioniert werden können.

Jochen Mutz führte an, dass aus dem Beschluss im  Verbandsgemeinderat Linz zu einer Bürgerbefragung ein Bürgerratsentscheid geworden sei, der eine andere Qualität habe.
Dem widersprach der Verbandsbürgermeister.

Verbandsbürgermeister Fischer führte aus, dass er die Gemeinde Vettelschoß auch jederzeit früher (warum dann bislang nicht, bedurfte es einer Aufforderung?) informiert hätte. Er strebe Transparenz an. Vor allem würden die Bürger in mehreren  Einwohnerversammlungen informiert werden. Anmerkung der Redaktion: Spätestens in Reaktion auf den SPD-Antrag vom 7. September (der auch an die Verbandsgemeindeverwaltung ging) hätte Herr Fischer in der Ratssitzung am 14. September die Gelegenheit gehabt, in Vettelschoß vorstellig zu werden, vor dem besagten Gespräch in Mainz. In den Verbandsgemeinden Unkel und Bad Hönningen wurden alle verbandsgemeindeangehörigen Kommunen offiziell durch ihren Verbandsbürgermeister beteiligt (informiert und gefragt). Auch Bürgerinformationen wären in vielfältiger Form früher möglich gewesen (das besagte Gesetz gibt es seit 2010).
Wobei eine Bürgerinformation ausgewogen sein muss und nicht nur die Darstellung der eigenen Sicht wiederspiegeln darf. Zu einer Information, die dazu befähigen soll, sich ein Urteil zu bilden, gehört mehr als die Benennung von möglichen Umlagezahlen. Es muss kritisiert werden, dass das Veröffentlichungsorgan der VG Linz ausschließlich vom Verbandsbürgermeister als Veröffentlichungsplattform genutzt werden darf. Demokratie lebt von Rede und Gegenrede, nicht von empfundenen Wahrheiten eines einzelnen.
Zwischenzeitlich hat sich die SPD-Fraktion Informationen in vielfältiger Weise organisiert. Lesen Sie ein Ergebnis dieser Recherche in unserem Beitrag „Klarstellung zum Thema Zwangsfusion“ vom 22. Oktober 2016 auf dieser Homepage.

 Verbandsbürgermeister Fischer widersprach der Darstellung, die von ihm veröffentlichten  Mehrbelastungen, die durch die erhöhten Umlagen entstehen würden, seien das für die VG Linz teuerste Modell. Er legte zwei Seiten Berechnungen zu einer Zweier- bzw. Dreierfusion vor. Anmerkung der Redaktion: diese Zahlen konnten in der Kürze der Zeit noch nicht nachvollzogen werden.

Verbandsbürgermeister Fischer trug sodann seine durch das Veröffentlichungsblatt der VG und weitere Presseartikel bekannte Darlegung der Situation vor. U.a. führte er an, Linz habe keinen Fusionsbedarf, die Zahlen, die dem Fusionsbedarf Bad Hönningen zugrunde lägen, seien unzutreffend, der erheblichen Mehrbelastung der verbandsgemeindeanhörigen Kommunen durch höhere Umlagen könne er nicht zustimmen, was auch seitens des VG- Rates unterstützt werde,  auch die Bad Hönningen Bürger würden durch eine Fusion stärker belastet bei den Gebühren für ihr Abwasser.

Herr Fischer verwies auf die vielen freiwilligen Kooperationen (beim Abwasser, ruhenden Verkehr …) der betroffenen Verbandsgemeinden, die anstelle einer Fusion intensiviert werden sollten.

Verbandsbürgermeister Fischer teilte mit, dass – so seine Wahrnehmung – aufgrund der bisherigen Behandlung der Angelegenheit durch die VG Linz und ihm und der Androhung einer Bürgerbefragung das Innenministerium des Landes Rheinland-Pfalz in Person des Staatssekretärs Kern auf ihn zugekommen sei und ein Gesprächsangebot unterbreitet habe, das er annehmen werde. Es sei ein Vieraugengespräch vorgesehen. Der Bürgerentscheid sei jedoch nur vertagt, die weitere Vorgehensweise hänge vom Ausgang dieses Gespräches ab. Dieses Gespräch werde mit Sorgfalt geführt.

Wolfgang Paschelke von der FWG sprach an, dass für ihn erkennbar sei, dass das  Einlegen rechtlicher Mittel gegen eine Zwangsfusion wenig Aussicht auf Erfolg habe und einer politischen Lösung der Vorrang einzuräumen sei. Eine größere Verwaltungseinheit bedeute ein mehr an wirtschaftlicher Effizienz. Bei der hohen Anzahl kleiner Kommunen im Land sei auch das in NRW praktizierte System der Einheitsgemeinden eine mögliche Variante. Jörg Haußer von der FWG brachte vor, dass eine Berechnung möglicher Umlagezahlen nur auf der Grundlage der Zahlen 2016 für das Jahr 2017 möglich sei. Da die Steuerkraft jeder Kommune jährlich schwanke, sei eine genaue Voraussage für die nächsten Dekaden nicht möglich.

Der Verbandsbürgermeister teilte mit, er strebe eine politische Lösung an. Der Einführung von Einheitsgemeinden stehe er skeptisch gegenüber, da die Identität kleiner Gemeinden verloren gehe. Bezüglich größerer Verwaltungseinheiten glaube er nicht daran, dass Kosten durch Personaleinsparungen zu erzielen wären.

Jochen Mutz (SPD) machte deutlich, dass die Darstellung, dass Hönninger Bürger mehr für ihr Abwasser werden zahlen müssen bei einer Fusion (und – so der Verbandsbürgermeister – auch über eine Fusion nicht erfreut sein dürften) nur die halbe Wahrheit darstelle. Die Linzer Bürger würden in einer Fusion entlastet und zahlten in diesem Fall weniger Abwassergebühren. Grund, warum die Linzer deutlich mehr für ihr Abwasser zahlen müssten, sei die sehr hohe Verschuldung des Linzer Abwasserwerkes.
Anmerkung der Redaktion: Alle Bürger der Verbandsgemeinde Linz sind schon seit Jahren nicht erfreut, dass sie deutlich mehr aufbringen müssen für ihre Abwasserbeseitigung als Nachbarkommunen.

Vergleich Wasser-/Abwassergebühren pro Person/Jahr
VG Bad Hönningen: 160,00 Euro
VG Unkel: 220,00 Euro
VG Linz: 251,00 Euro (hinzu kommt im Falle der VG Linz, dass zusätzlich bei Kanalausbaumaßnahmen und größeren Sanierungen ein nennenswerter Baukostenzuschuss auf jeden Grundstückseigentümer zukommt, in  Bad Hönningen und Unkel sind diese in den Gebühren enthalten).

Jochen Mutz merkte kritisch an, ob eine Bürgerbefragung nicht tatsächlich ein Verschieben der Verantwortung möglicher Konsequenzen von der Politik auf die Bevölkerung darstelle.

Markus Eulenbach (SPD) begrüßte, dass die Gespräche mit Mainz wieder aufgenommen werden. Ohne Einigung komme – so die gesetzliche Vorgabe – zwangsläufig die Zwangsfusion mit Bad Hönningen (ohne Unkel). Erst nach deren Vollzug könne Klage mit zweifelhaften Siegeschancen geführt werden. Er hoffe, dass Herr Fischer für das vorgesehene Gespräch mit dem Vertreter der Landesregierung dieses Mal mehr als 5 Minuten einplane.

Verbandsbürgermeister Fischer teilte hierzu mit, dass man vereinbart habe, sich wenigstens eine Stunde auszutauschen. Im Übrigen habe er in Mainz nicht mit Klage gedroht.

Herr Eulenbach begrüßte diese Aussagen und gab seiner Hoffnung Ausdruck, der Verbandsbürgermeister sei seiner Verantwortung bewusst. Gut sei, dass erst einmal Zeit gewonnen wurde, die nun klug genutzt werden sollte.

Er fügte hinzu, dass er mit Freude feststelle, dass die Wertschätzung der Höhengemeinden durch diese Diskussion gewonnen habe.

Josef Limbach teilte für die CDU mit, dass es nicht hingenommen werden könne, dass die Gemeinde Vettelschoß durch eine Fusion mehr Umlagen zahlen müsse und dieses Geld für notwendige Investitionen vor Ort fehlen würde.  Die CDU Vettelschoß unterstütze den Kurs des Verbandsbürgermeisters, nach ihrem Willen solle die Verbandsgemeinde Linz eigenständig bleiben.

Norbert Rohringer von der FWG kritisierte, dass zur Behandlung dieses Tagesordnungspunktes im Ortsgemeinderat ein Antrag der SPD-Fraktion nötig war. Das Thema Fusion hätte verwaltungsseitig viel früher auf die Tagesordnung gesetzt werden müssen. Er stellte klar, dass er hier im Gemeinderat nicht für die Verbandsgemeinde spreche, hier ginge es um die Ortsgemeinde und demzufolge sei es legitim, Gespräche mit der Nachbarverbandsgemeinde Asbach zu führen. Eine Angliederung an die VG Asbach sei aus finanzieller und struktureller Sicht für Vettelschoß eine Alternative.

Gabi Marquardt (SPD) bat, das Thema Fusion nicht ausschließlich unter dem Aspekt der Umlagezahlungen zu bewerten. Sie verwies darauf, dass in allen betroffenen Verbandsgemeinden Fachpersonal fehle (weil der Stellenplan das nicht hergibt), um ein wirksames Controlling, eine wirtschaftliche Ermittlung und Betrachtung der in der Doppik deutlich werdenden Unterdeckungen mit Lösungsansätzen zu begegnen. Beispielhaft nannte sie die Einführung eines Gebäudemanagement. Die finanzielle Ausstattung der Gemeinden sei unzureichend, die Gewerbesteuer schon seit über 20 Jahren ob ihrer Verteilung und Unzuverlässigkeit in der Diskussion. Auch sei kritisch zu überprüfen, wer zukünftig für was zuständig sein solle (Schulen, Kindertagesstätten), ob Altenheime, Wohn- und Gewerbegebäude in der Trägerschaft einer Verbandsgemeinde oder Gemeinde verbleiben sollten?