Gewerbesteuermessbescheid verschwunden – großer Schaden für Vettelschoß

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Unter dem TOP Gewerbesteuerangelegenheiten in der Juni-Sitzung des Gemeinderates verbarg sich ein brisantes Thema: ein fehlender Gewerbesteuerbescheid, der zur Folge hat, dass Gewerbesteuern für die Gemeinde Vettelschoß in Höhe von 1,07 Mio. Euro plus Zinsen nicht eingefordert wurden und der Anspruch verjährt ist. Von den 1,07 Mio. Euro hätte das Land rund 223.000,00 Euro Gewerbesteuerumlage erhalten, die restlichen 843.000,00 Euro wären zum Teil über Umlagen an Kreis und Verbandsgemeinde gegangen, die Zinsen jedoch, die nicht unerheblich gewesen wären, da sich der Bescheid auf die Jahre 1996-1998 bezog (man sprach in der Sitzung von einem Gesamtschaden in Höhe von ca. 2 Mio. Euro), wären in der Gemeinde verblieben. Der Ortsgemeinde ist somit ein erheblicher Schaden entstanden.

 

Verbandsbürgermeister Fischer erläuterte den Sachverhalt in der Sitzung: Eine damals in Vettelschoß ansässige Firma hat nach einer Betriebsprüfung einen neuen Gewerbesteuermessbescheid für die Jahre 1996 bis 1998 erhalten, darin war festgestellt, dass der Ortsgemeinde Vettelschoß Gewerbesteuer in Höhe von 1,07 Mio. Euro nachzuzahlen sind. Dieser Bescheid ging an die Firma und – so das Finanzamt Neuwied – auf einfachem Postweg auch an die Verbandsgemeinde Linz. Hier – so Herr Fischer – sei der Brief (richtigerweise waren es zwei Bescheide laut Fischer später, die ihren Adressaten nicht erreichten) nach umfänglichen Recherchen nie eingegangen. Die Firma hatte entsprechende Rücklagen gebildet und durch einen Anruf bei der VG Linz im Februar 2012 nachgefragt, warum der Betrag nicht abgerufen worden sei. Erst zu diesem Zeitpunkt – so Herr Fischer –  habe die VG Linz von dem Bescheid Kenntnis erlangt, diesen beim Finanzamt angefordert und gegenüber der Firma geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt jedoch war die Forderung längst verjährt (die Frist endete 2010) und die Gewerbesteuer wurde somit auch nicht gezahlt.

Umgehend habe die VG Linz durch Juristen und den Gemeinde- und Städtebund RLP alle Möglichkeiten prüfen lassen, der Gemeinde den entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Prüfung habe jedoch ergeben, dass die Finanzverwaltung und das Land RLP nicht haften, dass die Eigenschadenversicherung der VG Linz  nicht greife, da kein Fehlverhalten der VG Linz vorliege.

Zeitgleich habe man beim Ministerium der Finanzen in Mainz interveniert und auf den Fehler im System aufmerksam gemacht, dort nämlich seien im Jahr 2007 Listen, die eine Kontrolle der übermittelten Gewerbesteuermessbescheide und – zerlegungsbescheide ermöglichten, ersatzlos gestrichen worden (laut Ministerium aufgrund einer Softwareumstellung bundesweit). Dadurch sei es den Verbandsgemeinden und Städten nicht länger möglich gewesen, eingehende Bescheide auf Vollständigkeit mit der Liste abzugleichen.

 

Da von der betreffenden Firma bereits Gewerbesteuer für die Jahre 1996 bis 98 und sogar eine Nachzahlung gezahlt worden seien, habe der zuständige Sachbearbeiter auch keinen Grundsteuermessbescheid vermissen können, so Fischer. Über die Betriebsprüfung war er nicht informiert.

 

Die VG Linz habe ein eigenes Kontrollsystem eingerichtet und frage auch immer wieder bei der Finanzverwaltung nach Bescheiden nach. Beim vorliegenden Fall sei man nicht tätig geworden, da diese weitere Korrektur des Gewerbesteuermessbescheides nicht zu erwarten gewesen sei.

 

In der Antwort des Ministers der Finanzen sei u.a. dargelegt, dass sich das Konsensgremium der Bundesländer mit Möglichkeiten einer Absicherung des Versandes der Messbescheidmitteilungen an die Kommunen befassen werde.

 

Desweiteren sei ein Besuch des Finanzstaatssekretärs in Linz angekündigt worden.

 

Durch das Erscheinen des Ratsmitgliedes Haußer (FWG) entwickelte sich ein Dialog zwischen diesem und Bürgermeister Fischer: Seitens Herrn Haußer wurde bezweifelt, dass die VG Linz ein geeignetes Kontrollsystem habe einrichten können. Betriebsprüfungen großer Firmen werden immer wieder regelmäßig durchgeführt und führten immer wieder zu Änderungen von Messbescheiden.  Auch hier müsse man nachfragen.

Die FWG verlangte Auskunft darüber, ob mit gleicher Post durch das Finanzamt weitere Bescheide am gleichen Tag (was übliche Praxis sei) abgeschickt wurden wie der nicht angekommene und ob diese ggf. in der VG-Verwaltung eingegangen seien.

Des weiteren forderte sie die Überprüfung durch einen unabhängigen Gutachter  in der VG Linz (es könne nicht sein, dass sich die VG Linz selber bescheinige, gänzlich schuldlos an der Misere zu sein und alles erdenklich Mögliche getan zu haben, um ein solches Szenario zu verhindern).

Wenn es so einfach sei, Steuerbescheide „verschwinden“ zu lassen, möge man gar nicht darüber nachdenken, was so alles an Steuern nicht eingefordert wurde (versehentlich, aber auch mit krimineller Energie, wobei dies im vorliegenden Fall ausdrücklich nicht unterstellt wird).

Zudem kritisierte die FWG, dass der Gemeinderat Vettelschoß erst so spät unterrichtet werde.

 

Bürgermeister Fischer  widersprach dem Einwand, die VG Linz hätte mit einem weiteren Änderungsbescheid rechnen müssen.

Den Antrag der FWG, ein neutrales Gutachten anfertigen zu lassen, nimmt er zur Kenntnis und sagt eine Prüfung zu.

Die Frage nach am gleichen Tag versandten und ggf. eingegangenen weiteren Steuerbescheiden wird er prüfen lassen.

 

Dass der Rat in Vettelschoß erst heute unterrichtet wird, begründete Herr Fischer in erster Linie mit dem Steuergeheimnis, das zu schützen gewesen sei. Man sehe ja, wie die Spekulationen ins Kraut schössen und es gelte, die Interessen der Firma zu schützen, die an der Misere schuldlos sei.

 

Die SPD-Fraktion nahm anschließend an dieses Zwiegespräch zwischen Fischer und FWG  ergänzend Stellung:

 

„Angesichts des Schadens für die Ortsgemeinde Vettelschoß regiert die SPD-Fraktion mit Fassungslosigkeit, dass so etwas passieren kann.

 

Da ist Wut, wenn man bedenkt, dass der Rat sich in gleicher Sitzung schwer tun wird, die Kindergartenerweiterung für 600.000 Euro auf Pump zu beschließen, da hätte die in Rede stehende Nachzahlung allemal für ausgereicht.

 

Da entsteht ein ungutes Gefühl, weil man jetzt nicht mehr ausschließen kann, dass nicht schon öfter etwas „auf dem Postwege“ verloren gegangen ist, nicht nur zum Schaden unserer Gemeinde.

 

Da bleiben aber auch Fragen offen, warum wurde 2008 (als die Systemumstellung, die laut der Finanzverwaltung Ursache der neuen Zustellpraxis der Finanzämter sein soll, erfolgte) nicht schon seitens unserer VG Linz, aber auch anderer betroffener VGs oder Städte an entsprechender Stelle interveniert, als man merkte, es kommen keine Abgleichlisten mehr und damit ist eine Überwachung der Vollständigkeit der anzufordernden Steuern nicht mehr möglich. Es muss doch zig Sachbearbeiter geben, die das bemerkt haben und Alarm hätten schlagen müssen. Warum wird erst heute interveniert, wo das Kind in den Brunnen gefallen ist.

 

Die SPD-Fraktion erfasst vor allem ein Gefühl der Machtlosigkeit, weil die Gemeinde in Punkto Schadensersatz wohl in die Röhre schauen wird, obwohl sie nichts falsch gemacht hat.

Für die Gemeinde Vettelschoß wäre es am günstigsten, eine Schuld oder Mitschuld läge bei der Verbandsgemeinde Linz, denn dann hätte sie Schadensersatz durch die Eigenschadenversicherung zu erwarten.

Aus diesem Grunde ist  man es auch den Vettelschoßer Bürgern schuldig, dass – wie bereits gefordert – ein unabhängiges Gutachten die Rolle der VG Linz in der Angelegenheit überprüft.

 

Reine Schuldzuweisungen ändern nichts. Es gibt drei Möglichkeiten: entweder der Brief ist beim Finanzamt nicht raus oder der Brief ging aus verschiedenen Gründen in der VG-Verwaltung unter oder aber die Post hat ihn verbummelt. Für uns unverständlich, dass solch wichtige Mitteilungen nicht auch per Mail mit Lese-/ Zustellbestätigung versandt werden.

Wichtig ist, dass zukünftig die Sicherheit bei der Übertragung dieser Mitteilungen gewährleistet wird, damit das nicht noch einmal passiert  kann.

 

Der Gemeinde Vettelschoß bleibt die Hoffnung, dass die betreffende Firma den unerwarteten Geldsegen zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätze sinnvoll eingesetzt hat.“

 

Zusatz Juli 2012:

Das Land Rheinland-Pfalz hat der Darstellung von Bürgermeister Fischer mittlerweile widersprochen, so habe die Verbandsgemeinde bereits vor Verjährungsfrist von dem Bescheid Kenntnis erhalten. Beweise konnte bislang keine der Seiten vorlegen, da dies nur mit Einverständnis der Firma gelingen könne (Steuergeheimnis). Umso wichtiger ist  eine unabhängige Prüfung der Vorgänge bei der VG Linz, worauf SPD und FWG drängen und hierzu den Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz und die Kommunalaufsicht der Kreisverwaltung Neuwied offiziell eingeschaltet um Prüfung gebeten hat, auch zum Schutz des betroffenen Personenkreises.